„Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“
Grundsätze und Prinzipien
Die Bundesregierung setzt sich für die Entwicklung und Anwendung wirksamer Strategien und Instrumente der Krisenprävention, friedlichen Konfliktbeilegung und Friedenskonsolidierung ein. Damit soll dazu beigetragen werden, in potentiellen Krisen- und Konfliktgebieten der gewaltsamen Austragung von Konflikten frühzeitig vorzubeugen, die Ausweitung bereits ausgebrochener Gewalt einzudämmen und nach dem Ende bewaffneter Auseinandersetzungen durch effektive Maßnahmen der Friedenskonsolidierung und des Wiederaufbaus einen erneuten Ausbruch der Gewalt zu verhindern.
Ausgangspunkt für Maßnahmen der Krisenprävention, der Konfliktbeilegung und der Konsolidierung in der Nachkonfliktphase ist ein erweiterter Sicherheitsbegriff, der politische, ökonomische, ökologische und soziale Stabilität umfaßt. Grundlage dafür sind die Achtung der Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, partizipatorische Entscheidungsfindung, Bewahrung natürlicher Ressourcen, Entwicklungschancen in allen Weltregionen und die Nutzung friedlicher Konfliktlösungsmechanismen.
Krisenprävention, Konfliktbeilegung und Friedenskonsolidierung müssen zusammen gesehen werden. Dies gilt für die strukturellen und prozeduralen Konfliktursachen sowie für die jeweils einzusetzenden Handlungsinstrumente sowohl bei zwischenstaatlichen als auch bei innerstaatlichen (insbesondere „failing states“-) Krisen und Konflikten.
Zivile Krisen- und Konfliktbewältigung erfordern eine national und international koordinierte, auf die jeweilige Situation zugeschnittene politische Gesamtstrategie, die Instrumente insbesondere der Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Finanz-, Wirtschafts-, Umwelt-, Kultur- und Rechtspolitik verzahnt. Sie bedarf individueller Lösungsansätze und einer sorgfältigen Koordination, auch zwischen militärischen und zivilen Mitteln. Nichtstaatliche Akteure (Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaft, Kirchen u.a.) sollten so weit wie möglich einbezogen werden.
Deutschland wird stets in Abstimmung mit seinen Partnern und den Akteuren der internationalen Staatengemeinschaft handeln. Handlungsrahmen für die deutsche Außenpolitik bleibt dabei der enge Verbund mit unseren Partnern in der Europäischen Union und im Atlantischen Bündnis sowie unsere Mitwirkung in internationalen Organisationen, insbesondere den Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und dem Europarat.
Zur Gesamtstrategie gehören die Fortentwicklung des Völkerrechts, die Verrechtlichung der Konfliktaustragung (Internationale Straf- und Schiedsgerichtsbarkeit), Menschenrechtspolitik als vorbeugende Friedenspolitik und die Schärfung des Instruments ziviler Sanktionen. Im Rahmen der Gesamtstrategie ist es die Aufgabe der Entwicklungspolitik, in den betroffenen Partnerländern durch Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Verhältnisse zur Verhinderung und zum Abbau struktureller Ursachen von Konflikten sowie zur Förderung von Mechanismen gewaltfreier Konfliktbearbeitung beizutragen. Ebenso stellen Abrüstung, Rüstungskontrolle und Rüstungsexportkontrolle wichtige Aspekte und gleichzeitig Instrumente der Krisenprävention dar. Dies gilt besonders für den Kampf gegen die destabilisierende Anhäufung und Verbreitung von Kleinwaffen in zahlreichen Krisenregionen. Internationale Abrüstung, Rüstungskontrolle und Rüstungsexportkontrolle können in bestimmten Situationen zur Krisenprävention, Konfliktbeilegung und Friedenskonsolidierung eingesetzt werden. Sie erschweren das Austragen bewaffneter Konflikte. Deutschland wird in den multilateralen Gremien sein politisches Gewicht für eine Stärkung ziviler Krisen- und Konfliktbewältigung nutzen.
Konzepte und Maßnahmen deutscher staatlich geförderter oder anerkannter Akteure bedürfen der Einbettung in die Politik der Bundesregierung. Für eine kohärente Strategie der zivilen Krisen- und Konfliktbewältigung ist in den jeweiligen Bereichen eine verstärkte Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen und Zivilgesellschaft sowie ein effektiverer Dialog zwischen nichtstaatlichem und staatlichem Bereich nötig, wie dies u.a. beim Zivilen Friedensdienst in der Entwicklungszusammenarbeit und bei den zivilen Fachkräften des AA angelegt ist.
Die Bundesregierung wird eine Kultur der Prävention und des Dialogs fördern. Friedens- und Konfliktforschung müssen gestärkt, internationale Bildungspolitik, Auswärtige Kulturpolitik und Medienpolitik müssen auf den Abbau von Feindbildern, interkulturellen Dialog und friedliche Konfliktlösungsbemühungen ausgerichtet werden.
Die Bundesregierung wird abgestimmte Ausbildungsangebote schaffen und die Voraussetzungen für den Einsatz von zivilem Personal in den Bereichen Krisenprävention, Konfliktbeilegung und Friedenskonsolidierung ausbauen. Ziel ist es, ressortübergreifend und durch Nutzung gesamtgesellschaftlicher Ressourcen qualifiziertes Personal in allen relevanten Bereichen bereitzustellen.
Möglichkeiten der Politiksteuerung
Die Bundesregierung erarbeitet unter Federführung des Auswärtigen Amts und unter Einbeziehung der Ressorts auf den Einzelfall bezogene Strategien, wobei in diesem Zusammenhang Ländergesprächskreise zu drohenden Konflikten eingerichtet werden können.
Die Koordinierung mit Nichtregierungsorganisationen erfolgt durch die Ressorts in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich. Wo es sinnvoll ist, können gemeinsame Anlaufstellen geschaffen werden, die Möglichkeiten für Informationsaustausch bieten, die Kontinuität der Zusammenarbeit gewährleisten und eine umfassende Personalvermittlung (u.a. Einrichtung eines Registers) ermöglichen.
Grundsätzliche Orientierungen der Krisenprävention und Konfliktbeilegung erfolgen im übrigen im Bundeskabinett.
(Stand: 07.04.2000)