Workshop 3 Terrorismus und Gewaltfreiheit

Moderation: Clemens Ronnefeldt

Clemens Ronnefeldt, seit 1992 Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes, ging auf die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein, vor denen die Terroranschläge auf das Welthandelszentrum und das Pentagon am 11.9.2001 erfolgten. Die Beseitigung wirtschaftlicher Ungerechtigkeiten sei eine der wirkungsvollsten Maßnahmen gegen künftige Terrorangriffe, so der Referent. In der arabischen Welt sprengten sich Selbstmordattentäter teilweise auch deshalb in die Luft, weil sie keine Perspektive mehr für sich und ihre Familien sähen - und nach ihrem Tod sich die jeweilige Terrororganisation großzügig um die Hinterbliebenen der Familie kümmere.

Im zweiten Teil des Vortrages nannte der Referent vier zu behandelnde Themenfelder, die einer dauerhaften Friedenslösung ebenso wie der Eindämmung des Terrorismus derzeit im Wege stünden: Die Selbstwahrnehmung der islamischen Welt als vom Westen seit Jahrzehnten unterdrückt, die Israel-Palästina-Frage, das Embargo in Irak und die massive britisch-amerikanische Militärpräsenz im mittleren Osten zur Absicherung westlicher Energieinteressen.

Ronnefeldt zeigte einen umfangreichen Katalog von Maßnahmen, die Wege aus der Eskalation der Gewalt zeigten.

Bei einem rechtsstaatlichen Vorgehen gegen die Verantwortlichen der Terrorangriffe vom 11.9.2001 hätte vor der Ergreifung von Gegenmaßnahmen zunächst der zweifelsfreie Nachweis der Täterschaft stehen müssen.

Dass ein rechtsstaatliches Vorgehen mit zivilen polizeilichen und diplomatischen Mitteln keineswegs nur theoretisch zum Erfolg führen könne, zeige das Beispiel der Terroristenverfolgung bei der Lockerbie-Affäre: Auf diplomatischen Druck hin war der libysche Staatschef bereit, die mutmaßlichen Täter auszuliefern und vor einen internationalen Gerichtshof stellen zu lassen.

Ähnlich hätte die so genannte Anti-Terror-Koalition auch im Falle der Verantwortlichen des 11. September 2001 verfahren können. Insbesondere Aufgabe der europäischen Staaten wäre es gewesen, den Bündnispartner USA von einer solchen Linie zu überzeugen - statt wie der deutsche Bundeskanzler „bedingungslose Solidarität“ zu verprechen, so der Referent.

Mittelfristig schlug Ronnefeldt einen regionalen Friedens- und Sicherheitspakt vor, der auf eine ABC-Waffen-Abrüstung und ABC-waffenfreie Zone drängen könnte. Gegenüber Irak müsste das Embargo, ausgenommen für Rüstungsgüter, aufgehoben werden, um die „völkermordartigen Zustände“ zu beenden, denen bereits mehr als eine Million Menschen zum Opfer gefallen seien.

Für Kurdistan und Kaschmir seien diplomatische Lösungen mittels Konferenzen voranzutreiben.

Zur besseren Verständigung und zum Abbau gegenseitiger Vorurteile zwischen westlicher und arabischer Welt schlug Ronnefeldt die Etablierung einer europäisch-arabischen Universität in der arabischen Welt und einer arabisch-europäischen Hochschule in der westlichen Welt vor.

Die US)-Außenpolitik habe es entscheidend mit in der Hand, ob der Palästina-Israel-Konflikt vollends in einen größeren Krieg eskaliere oder die Verhandlungen auf der Grundlage des sog. „Mitchel-Planes“ noch einmal aufgenommen würden.

Selbst nach den verheerenden palästinensischen Selbstmordattentaten und den Liquidierungen und Bombardierungen der israelischen Armee sei eine Zweistaatenlösung mit einer vorübergehenden Pufferzone denkbar. Hierzu müsste sich die europäische Politik weitaus stärker engagieren, als sie dies bisher tue.

Westlicherseits sieht der Friedensreferent in der Reduzierung der Abhängigkeit aus der Region durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien einen entscheidenden Deeskalationsfaktor.

Bei einem mittelfristigen Abzug der US-Präsenz von der arabischen Halbinsel, einer Einstellung der Waffenlieferungen und einer Schuldenstreichung für die verarmten Länder der arabischen Liga könnte dem Terrorismus im Zuge aller genannten Maßnahmen der Nährboden entzogen werden. Gerechtigkeit und Frieden bekämen eine Chance, die islamische Welt würde endlich einmal gleichberechtigt und mit Respekt behandelt werden, so Ronnefeldt.

Als Voraussetzung für gewaltfreies Handeln bezeichnete Clemens Ronnefeldt die Angstfreiheit.

Die wichtigste Aufgabe jeder Person bestünde darin, die zu werden, die er oder sie ist. „Wenn wir wissen, wer wir sind, beantwortet sich die Frage, was wir tun sollen, fast von alleine“, so der Referent.

Wenn wir unseren inneren Frieden verlören, könnten wir auch nichts mehr für den äußeren Frieden beitragen. Die Arbeit an der inneren Heilung sei daher unerlässlich.

Als weiteren Punkt gewaltfreien Handelns nannte Clemens die Unabhängigkeit von Ergebnissen: „Erfolg sei keiner der Namen Gottes“. Dies hieße nicht, auf Einfluss und machtvolles Handeln zu verzichten, sondern auch gerade dann am eigenen Gewissen festzuhalten und danach zu handeln, wenn die eigene Position eine Minderheitenposition sei.

„Friedensfähigkeit heißt Konfliktfähigkeit“, sagte der Referent. Die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg und dessen gleichnamiges Buch (Gewaltfreie Kommunikation) bezeichnete er als hervorragendes Werkzeug für gewaltfreies Handeln.

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