Publik-forum Nummer 17

13. September 2002

»Keine Steuergelder für einen Krieg im Irak«

Immer mehr Menschen verweigern Militärsteuern - auch in den USA. Vor kurzem haben sie sich in Brandenburg getroffen. Von Bettina Röder

»Nein, und nochmals nein!« Marian Franz bleibt dabei. Das Bild, das von Amerika landläufig herrscht, stimme einfach nicht. Zumindest, was die Friedensbewegung betrifft. Denn die habe angesichts des drohenden Irak-Krieges deutlich Oberwasser bekommen. Die weißhaarige Frau aus Washington im blauen Kostüm hat sich vorgebeugt. »Fühlen wir uns nach dem Afghanistan-Krieg etwa vor Terroristen sicherer?«, fragt sie und antwortet auch gleich selbst: »Ich nicht!« Täglich wachse die Zahl ihrer Landsleute, die das auch so sehen. Sie meldeten sich immer häufiger in Zeitungen oder im Radio zu Wort, bildeten spontan kleine Gruppen.

Marian Franz scheint mit den Händen zu reden. Sie will die Runde, etwa 100 Mitstreiter aus der internationalen Friedensbewegung, davon überzeugen, dass sich in ihrem Land etwas bewegt. Aus 16 Nationen sind die Teilnehmer zu einer internationalen Tagung aus Europa, aber auch Amerika, Asien und Afrika ins brandenburgische Hirschluch gereist. Es ist die 9. Internationale Konferenz für Militärsteuerverweigerung und Friedenssteuerinitiativen. Das 1983 gegründete deutsche Netzwerk Friedenssteuer, Träger des Aachener Friedenspreises, hat erstmalig dazu nach Deutschland eingeladen. Und als die Vorbereitungen vor gut einem Jahr begannen, konnte wohl keiner ahnen, dass das Anliegen der Tagung an diesem Wochenende vom 5. bis 8. September durch den drohenden Krieg mit dem Irak besondere Brisanz bekommen würde: Es geht um das bisher ungeschriebene Recht des Einzelnen, ein Teil der Steuer nicht in den Topf von Kriegen, sondern in einen Friedensfond einzuzahlen.

Auch in Amerika nimmt die Zahl derer kontinuierlich zu, die sich dieser Bewegung anschließen. In der letzten Zeit waren es etwa 8000 bis 10 000, berichtet Marian Franz, die als Sprecherin des internationalen Friedensnetzwerkes CPTI bei den Vereinten Nationen beratenden Status hat. Susan Balzer, die in Hesston im Bundesstaat Kansas ein Friedenszentrum leitet, pflichtet ihr bei. Allein in diesem Jahr erhielt sie mehr als 22 000 Dollar Spenden aus dem Fonds, in den Kriegssteuer-Gegner ihre Steuergelder freiwillig einzahlen. Die zierliche 55-jährige Journalistin mit dem blonden Haar und der runden Brille berichtet von einem »Kreuzweg« mit Demonstranten in Kansas, die am Karfreitag diesen Jahres dieses Anliegen unterstützten. Und dann verweist sie auf jene jungen Amerikaner, die als »Stimmen in der Wüste« in den Irak reisten, um dort die Auswirkungen des US-amerikanischen Embargos auf die zivile Bevölkerung zu dokumentieren. Mehr als 500 000 Kindern unter fünf Jahren, sagt Marian Franz, hat dieses Embargo bisher das Leben gekostet. Auch jetzt reisten wieder Gruppen aus der amerikanischen Friedensbewegung in den Irak, um bei einem Ausbruch des Krieges vor Ort zu sein. Ohne Unterstützung aus dem Fond der freiwilligen Friedenssteuer wäre die Aktion undenkbar.

Auf das »krasse Missverhältnis zwischen den außerordentlich hohen Militärausgaben und den viel zu geringen Etats für den Unterhalt und Ausbau ziviler Friedensdienste« wies denn auch die internationale Konferenz in Hirschluch in einer abschließenden Erklärung hin. Sie appelliert an die Staaten, alle gegen den Irak gerichteten Kriegsvorbereitungen sofort zu stoppen. Die 16 Heimatländer der Kongressteilnehmer werden aufgefordert, sich weder an den Kriegsvorbereitungen zu beteiligen, noch Hilfe durch Überflugrechte oder die Nutzung von Nachschubwegen zu gewähren. Doch die Teilnehmer wissen allzu gut, dass all diese Appelle nur dann fruchten, wenn sie auch eine starke Basis haben. Und so wenden sie sich auch an den Ökumenischen Rat der Kirchen, die gewissensbedingte Militärsteuerverweigerung als Teil der »Dekade zur Überwindung der Gewalt« aktiv zu unterstützen. Und an einem weiteren Ziel hält die Konferenz fest: Das Menschenrecht auf Verweigerung - auch von Teilen der Steuer für Kriegszwecke - müsse im Prozess der Verfassungsgebung der Europäischen Union verankert werden.

Davon ist man jedoch auch nach dieser internationalen Konferenz noch meilenweit entfernt. Denn selbst in den einzelnen Staaten der EU ist das höchst umstritten. Paul Oestreicher, langjähriger Leiter des internationalen Versöhnungszentrums im englischen Coventry, kann das zwar nachvollziehen. Hinnehmen will er es nicht. Natürlich sei das eine große Herausforderung an den Gesetzgeber: Das Recht zu gewähren, sich wahlweise gegen einen Teil des Steuersystems zu stellen. Doch es gehe um Moral und eine logische Erweiterung des weithin anerkannten Rechts, das Tragen von Waffen zu verweigern. Dem britischen Parlament liegt nun, wie er betont, ein weit gehender Gesetzentwurf vor. Eine entsprechende Initiative des deutschen Netzwerkes im Bundestag kündigte Sprecher Günther Lott an. Doch nicht nur bei den Politikern, auch bei den Kirchen, herrscht in dieser Frage mitnichten Einigkeit, wie Friedrich Heilmann, der die Tagung engagiert vorbereitet hat, weiß: Von den 50 000 Euro, die das Treffen kostete und die durch einzelne Spender wie auch Stiftungen möglich wurde, hat die Rheinische Evangelische Kirche 7500 Euro gespendet, die Berlin-Brandenburger als Gastgeber keinen Cent. »Die Meinung dazu«, räumte Propst Heinrich Lüthke ein, sei in seiner Kirchenleitung »nicht unumstritten«.

Diendone Bewlongo aus dem Kongo hat die Fahrt aus der eigenen Tasche bezahlt. Im Unterschied etwa zu seinem Mitstreiter aus Nepal war das für ihn möglich, er lebt als Asylberechtigter in Deutschland. Der 49-jährige Lehrer war bis zu seiner Flucht Koordinator der Nichtregierungsorganisationen in dem von Bürgerkriegen geschüttelten afrikanischen Land. Nun träumt er davon, eine Radiostation in einem benachbarten Land aufzubauen, um die große Friedensbewegung im Kongo über Entwicklungen zu informieren. Dass es in Europa nicht längst eine Friedenssteuer gibt, will er so recht nicht einsehen. Seine Botschaft an die Runde: »Ihr Europäer kommt immer zu spät. Denn ihr reagiert immer erst dann, wenn der Ausbruch eines Krieges nicht mehr zu verhindern ist«, ruft er in den Saal. Marian Franz nickt zustimmend mit dem Kopf. Auch sie wünschte sich längst ein stärkeres Europa gegen die Kriegspläne in ihrem Land.


Friedenssteuer gefordert - taz 9.9.02

BERLIN taz Über hundert Teilnehmer aus fünfzehn Ländern trafen sich am Wochenende im brandenburgischen Storkow zur 9. Internationalen Konferenz für Militärsteuerverweigerung und Friedenssteuerinitiativen. Eingeladen hatte das internationale Netzwerk Friedenssteuer. Dessen Ziel seit zwanzig Jahren ist es, ein Gesetz zu schaffen, mit dem eigenverantwortlich bestimmt werden kann, ob die zu zahlenden Steuern in den Militärhaushalt fließen oder nicht. Dabei sollen die Steuern nicht verweigert werden. Vielmehr sollen Bürger etwa für friedenserhaltende Maßnahmen zahlen können. Marian Franz, Sprecherin der US-amerikanischen Conscience and Peace Tax International, CPTI, brachte Untersuchungen bei, wonach eine „Friedenssteuer“ den Fiskus entlasten würde. Der anglikanische Priester Paul Oestreicher vom Friedenszentrum in Conventry forderte, Militär für internationale Polizeieinsätze zu nutzen.

TH. KLATT

taz Nummer 6848 vom 9.9.2002, Seite 8, 32 Zeilen (TAZ-Bericht), TH. KLATT